Die Zeiten bringen immer herausfordernde Situationen mit sich. Dinge ändern sich, Strukturen sind im Umbruch. Man verliert dann schnell den Überblick für das große Bild und vergisst, dass Menschen zu allen Zeiten Herausforderungen begegnen mussten. Mich interessiert die Frage, wie die Leute früher den großen Herausforderungen begegnet sind. Nachkriegszeit, Wirtschaftskrise… Der Blick in die Geschichte gibt oft Halt und Orientierung. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Faible für alte Dinge habe. Ich bin durch einen Kollegen auf alte Nachkriegsschriften meiner Firma gestoßen, die genau diese Frage behandeln.
Nachkriegsgeschichten
In einem Artikel vom Mai 1950, kurz nach dem Krieg, schreibt der damalige Geschäftsführer namens Hanns Voith eine Mitteilung an seine Belegschaft mit dem Titel „Nicht verzagen“. Meine Firma gibt es schon über 150 Jahre. Sie hat zwei Weltkriege und viel Wüten der Zeit überstanden. Als Maschinenbauunternehmen hat sie beispielsweise nach dem Krieg Dampfloks repariert oder zerstörte Brücken aufgebaut, obwohl das nie ihre Kernkompetenz war. Die Zeit forderte es allerdings kurzfristige umzudenken. Man ließ sich drauf ein. Letztendlich überlebte man auch diese Phasen. Trotz den 70 Jahren Distanz ist die Botschaft noch so griffig und mit ihrem Inhalt brandaktuell. Wenn auch die Ausdrucksweise etwas Historien-Romantik aufkommen lässt. Ich möchte sie deswegen auszugsweise hier zitieren und uns einwerfen. Die Worte von Hanns Voith sind Gold! Mich lassen sie auch heute noch hoffen. Vielleicht muss man nur zwei, dreimal drüberlesen… War halt ne andere Zeit.
Worte eines weisen Geschäftsführers
„Nicht verzagen! Wie ist einem denn zu Mut heutzutage, wenn man die Feder ergreifen soll und wenn man nicht auf einer Insel lebt, sondern teilnimmt am Strom des Schrifttums? Dieser Strom ist ein Strudel, der einen zu verschlingen droht. Tageszeitungen, Wochen- und Monatsschriften sowie Bücher bringen Äußerungen über alles, was es gibt, und sehr viele weise Ratschläge, wie man’s machen soll, die aber leider nicht überzeugend wirken. Überzeugend ist nur die hervorragende Darstellung der ungeheuren Verwirrung, in der die Menschheit trotz der glänzenden Resultate der Naturwissenschaft und Technik sich befindet. Es ist nicht einfach in diesem Durcheinander einen klaren Kopf zu bewahren und zu dem Vielen auch noch etwas hinzuzufügen. Man sagt sich, viele schreiben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, also las Dir nicht imponieren von diesen eiskalten Routiniers. Aber Angst spricht auch aus den lauten Reden, dieselbe Angst, die den Wanderer im nächtlichen Wald singen lässt. Und dazwischen findet man herrliche, ewig gültige Wahrheiten ausgesprochen, die einen mit Trauer erfüllen, weil man fürchtet, dass auch sie ohne Wirkung mit den vielen Eintagsprodukten vorüberrauschen. Nimmt nicht das Verderben seinen unabwendbaren Lauf trotz aller Warnung, trotz allem Moralpredigen? Neulich las ich folgende Prophezeiung: „Das Götter-Ideal der freien, urteilskräftigen, selbstverantwortlichen Persönlichkeit wird geflissentlich verdächtigt und ausgerottet werden von Mächten, denen eine Ich-lose Ameisen-Menschheit das erwünschte und einzig taugliche Objekt abgibt.“ Dieser Satz steht allerdings nicht allein, und es wird ein Ausweg gezeigt. Hier aber ist zu sagen, dass es zuerst um den Mut geht, um den Willen des Einzelnen, sich von den Gespenstern von außen Kraft holen z.B. in der Frühlingspracht der Natur, entsteht eine Gemeinschaft, die vielleicht doch etwas bedeutet gegenüber den ent-ichenden Mächten und gegenüber den betäubenden Einflüssen der modernen Zivilisation. Solche Menschen sind auch in der Lage, als freie Persönlichkeiten Betriebsgemeinschaften zu gestalten, in denen die Gemeinsamkeit des Berufs und des Ringens mit dem Material die Menschen als Brüder zusammenführt auf dem Boden vernunftvoller Lebenspraxis.“
Hanns Voith, Mai 1950
Hanns Voith spricht am Schluss einen entscheidenden Punkt an: Wir brauchen etwas, das uns von außen mit Mut ausstattet und uns einen hoffnungsvollen Blick verschafft. Durch diese Klarheit sind wir für das Ringen in unserer Zeit ausgestattet, um uns und unsere Gesellschaft während Herausforderungen zu gestallten. Dieser Mann hat viele Menschen durch prekäre Situationen geführt. Wie damals ist auch heute nicht die Frage, welche Herausforderung ansteht. Die Frage ist wie wir mit ihr umgehen. Der Geist der Zeit verändert sich, natürlich. Die wirksamen Waffen, die uns für Herausforderungen wirklich wappnen, die nicht.
Soziologische Dynamik
Menschen rücken näher zusammen. Es geht nicht mehr nur darum sein eigenes Ding zu verwirklichen. Wichtig wird wer man ist und was man gemeinsam erlebt. Auf die Allgemeinheit zu schauen, den anderen in seiner Situation wahrzunehmen. Wer in die Geschichte schaut, sieht diese soziologischen Dynamiken immer wieder. Da erfinde ich hier nichts neues. Je früher und aktiver wir sie ausleben – bevor die Welt halb untergegangen ist – desto eher werden sie uns helfen… Voith spricht zu seiner Belegschaft. Eine Interessengruppe, die zusammenhält. Wer sind unsere Gruppen? In welchen Gemeinschaften begegnen wir den Herausforderungen?
Brandherde kann man natürlich immer suchen. Manchmal findet man sie, manchmal bleiben sie verborgen. Parolen nützen aber nichts. In Zeiten von wenig klarer Sicht lösen sie mehr Verwirrung oder „Durcheinander“ aus, wie Hanns Voith bemerkt. Man kann schimpfen wie man will. Und klar, verbessern müssen wir Fehler und Probleme immer. Positive Dynamiken zu fördern ist der Weg, bei dem die Kräfte aber kurzfristig am besten gebündelt werde, mehr Effektivität und Drive erzeugen. Die Frage ist jetzt natürlich wo die Quellen liegen. Wo sind die Brunnen, die uns durchtragen?
Frisches Wasser, wo?
Prägende Werte sind der Motor für ein gemeinsames Krisenmanagement. Wir müssen uns unsere Werte klar machen! Man kann sich mal selbst erklären und ausmahlen nach welchen Werten man in Krisen agieren möchte. Vielleicht hilft auch die Vorstellung wie man selbst behandelt werden möchte. Werte und Glaubensüberzeugungen stehen immer außerhalb von uns und werden auch nicht durch Krisen berührt. Deswegen sind sie so wichtig, deswegen sind sie so wirksam.
Den Blick schweifen lassen: Voith schlägt die Natur vor. Natur können wir nicht selbst schaffen, sie ist eine lebensspendende Konstante. Hier gibt’s Kraft und Inspiration. Wir nehmen uns selbst nicht mehr so ernst, schauen nicht nur unsere Probleme an, behalten den Blick fürs Ganze. Natur ist nur eine Möglichkeit von vielen. Eine, die ich persönlich verstehe.
Sinn suchen. Wofür lohnt es sich zu leben? Etwas, das nichts mit dem zu tun hat, was durch die Krisen zum Erliegen kommt oder abzusterben droht. Wo wollen wir hin? Wie kann man hinkommen? Sinn generiert und befeuert Ziele. Damit lassen sich mehr Leistungsressourcen freisetzen, mehr Kreativität kommt.
Das gilt natürlich nicht für jeden, ich persönlich finde bei vielen dieser Fragen eine Antwort durch meinen Glauben und meine Verbindung zu Jesus. Jesus war ein absoluter Krisenmanager. Die Geschichten von ihm sind sehr coole Beispiele. Zusammen schaffen wir viel. Lass uns gut zueinander sein, das Gute suchen, weise sein. Wir machen das Beste draus. Vieles kann uns zum Besten dienen.