Offen gestanden habe ich mit Politik nicht besonders viel am Hut. Vor zwei Jahren habe ich mich in ein Interessengremium wählen lassen, um das mit der Interessenvertretung trotzdem zu üben. Ich war ein bisschen enttäuscht von den langen Wegen und den schwer verstellbaren Hebeln. Trotzdem fällt mir immer wieder auf, wie wichtig Politik ist. In allen Bereichen trifft sie uns. Mich interessiert, wie man mit Politik die Welt besser machen kann. Deswegen habe ich Tobias Weiskopf gefragt. Er ist 22 Jahre alt und geht für den Landkreis Freising als Landratskandidat an den Start. Er ist wie ich ein Millennial und sein Wahlprogramm hört sich wirklich spannend an.
Tobi, der Weg in die Politik hat sich bei dir schon früh angekündigt, allerdings hast du auch ein Sozial-Business gegründet und studierst Wirtschaftspädagogik. Dir stehen also viele Türen offen. Warum dann ausgerechnet Politik?
Politik heißt, dass wir uns einsetzen für das, was um uns herum passiert und etwas verändern wollen. Ich betreibe Politik aber vor allem auch, weil es mir Freude bereitet und weil ich wirklich etwas bewegen möchte. Studium und Business wird weiterverfolgt. Ich habe mich nicht für den Berufsweg Politik entschieden, sonders vor allem für das Hobby Politik.
Fühlst du eine Art Berufung das zu tun, was du tust?
Ich fühle vor allem große Dankbarkeit das tun zu dürfen, was ich gerade mache. Ich weiß die Demokratie und die Mitbestimmungsmöglichkeiten in Deutschland zu schätzen. Und trotzdem macht mir das was ich mache, einfach große Freude. Und weil es mir so große Freude macht, ist es vielleicht auch eine Berufung.
Träumst du manchmal von einer besseren Welt? Wenn ja, wie sieht die dann aus?
Nein, ich träume nicht. Ich schauen, was die Probleme bei uns vor Ort sind. Ich mache jetzt in erster Linie Kommunalpolitik, aber natürlich auch über JuLis, die Jugendorganisation der FDP, Politik, die über den Landkreis hinaus reicht. Es ist aber kein Träumen. Wir schauen uns anhand von Fakten, Zahlen und Berichten an wo es etwas zu tun gibt und erarbeiten dafür Lösungen und Ideen. Auch durch Gespräche und die Wirklichkeiten, die uns Menschen berichten. Wir schauen nach offenen Potentialen. Träume haben immer etwas von Unwirklichkeit. Das was ich mir vornehme, muss realistisch sein.
Denkst du, du kannst mit Politik die Welt besser machen?
Ich denke schon, dass wir im Kleinen die Welt besser machen können. Ich fange aber bei mir lokal an, Lösungen anzubieten. Man darf da nicht übertreiben. Erstmal vor Ort schauen. Und im nächsten Schritt machen wir Bundespolitik und verbessern die Probleme der Menschen für Deutschland.
Hast du Vorbilder?
Ich habe kein Vorbild, dem ich in allen Punkten nacheifre. Eher Menschen, die ich in bestimmten Situationen wertschätze und Eigenschaften als wertvoll erachte. Bei mir in der Kommunalpolitik ist das besonders der Bürgermeister meiner Heimatgemeinde. Ihn zeichnen eine unglaubliche Bürgernähe und Sympathie aus. Das sind Sachen, die ich mir abschaue.
Denkst du wir Millennials brauche mehr Vorbilder?
Millennials haben besonders Idole und wenig Vorbilder, an denen man sich wirklich etwas abschauen kann. Wir brauchen vor allem eine kritische Reflektion von wem wir was mitnehmen können und wollen, ohne uns einfach hinzugeben, was so vorgelebt wird.
In deiner Agenda spielt Klimaschutz, öffentlicher Verkehr, Verwaltung und Ehrenamt eine große Rolle. Sprichst du damit eine spezielle Zielgruppe an oder muss Politik immer für alle sein?
Wer behauptet, dass seine Politik für alle ist, der lügt. Allen recht machen kann man es nie. Ich verstehe mich als Interessensvertreter vor allem für die jungen Menschen und die zukünftige Generatione, also die noch kommen. Deshalb spielen der Klimaschutz, Bildung und wichtige Infrastrukturprojekte eine große Rolle. Natürlich will ich auch aktuelle Probleme lösen. Jeden dabei zufriedenstellen, können wir aber leider nicht.
Neben Greta Thunberg, die jetzt auch nicht wirklich Politik betreibt, sind in den Klimagremien ziemlich wenig junge Menschen. Das ist mir jedenfalls aufgefallen. Uns werden die Klimaveränderungen jedoch mit voller Wucht treffen. Ist da was falsch?
Greta betreibt sehr wohl Politik. Politik ist nicht nur klassisch parlamentarisch, sondern auch eine Art draußen bei den Menschen zu sein. Das war sehr wichtig, dass sie das getan hat. Ich bin der Meinung wir müssen die Interessen junger Menschen und derer, die noch nicht geboren sind mehr Bedeutung schenken. Ich denke da zum Beispiel an eine Ombudsperson, die auch Entscheidungsträger aus der heutigen Zeit an die Auswirkungen von morgen hinweist, das Geschehen kritisch analysiert.
Ich bin Techniker, habe zu Wasserstoff und E-Mobilität meine Meinung. In der Mobilitätswende haben wir zu wenig die Energiewende im Blick. Wir brauchen mehr Wasserstoff und Subventionen, die nicht nur den Batterieautos nachgehen. Was denkst du zu der Mobilitäts- und Energiewende?
Ich stehe zu hundert Prozent hinter den Pariser Klimazielen. Auf allen Ebenen müssen wir uns für die Einhaltung einsetzten und Klimaschutz vorantreiben. Die Art des Antriebs bei der Mobilität muss an zweiter Stelle stehen, an erster Stelle steht die Klimaneutralität – die müssen wir möglichst schnell mit technischem Fortschritt erreichen. Es geht schließlich um die Ziele, also nicht mehr als eine bestimmte Menge auszustoßen und bis 2038 netto null zu erreichen. Ich glaube dabei an einen Mobilitätsmix aus Wasserstoff, E-Mobilität und CNG, dafür müssen wir auch die entsprechende Infrastruktur schaffen. In der Energiewende ist das ähnlich, wir brauchen CO2-Obergrenzen, die wir jährlich reduzieren, um bis 2038 klimaneutral zu werden. Wir sind eine Vorreiternation, müssen die Klimaziele also früher als andere Länder erreichen und können dann unsere Technologien exportieren.
Ist ein technischer Ansatz -an den Autos und ihrer Technik rumdoktern- wichtig, oder ist der gesellschaftliche Ansatz -weniger Autos besitzen und mehr ÖNPV nutzen- wichtiger?
Beide sind wichtig. In Bayern bewegen sich 60 % der Menschen ausschließlich mit dem PKW fort. Autos müssen wir also klimafreundlicher machen und der ÖPNV muss zur echten Alternative fürs eigene Auto werden – auch auf dem Land. Wir können uns aber auch da weiterentwickeln. Das geht z.B. durch intelligente Ruf-Taxis. Da gibt es zum Beispiel das Start-up MOIA aus Hamburg, die durch künstliche Intelligenz als Sammeltaxi den klügsten Weg für mehrere Personen berechnen. Das halte ich auch flächendeckend auf dem Land für eine realistische Option. Eben solche neuen Mobilitätsformen müssen wir berücksichtigen. Für neue Techniken müssen wir Anreize schaffen. Das gelingt mit dem Emissionszertifikatehandel, also den eben angesprochenen Obergrenzen, die wir jährlich reduzieren. Wer CO2 austoßen will, braucht eine Berechtigung. Treibhausgase kosten dann Geld. Also ein monetärer Anreiz, der technischen, klimaneutralen Fortschritt begünstigt.
So wie ich Politik wahrnehme, schafft sie eigentlich nur Rahmenbedingungen und hat die technologische Seite weniger im Blick. Die E-mobilität ist durch Subventionen eine sehr politikvorgegebene Entwicklung. Es gibt seit neustem da also eine Verquickung.
Davon halte ich nichts. Politik setzt die Rahmenbedingungen, gibt die Ziele vor, aber nicht wie diese zu erfüllen sind. Fördergelder müssen wir trotzdem ausschütten. Aber wie beim Auto nur eine Antriebsform zu fördern halte ich für fatal.
Haben wir Millennials zu wenig mit Politik zu tun, wobei wir doch die Zukunft sind?
Die Jugend ist derzeit so politisch wie noch nie. Ich bin ab und zu mit friday for futures auf der Straße. Ich war einer der Hauptorganisatoren der save-your-internet Demonstration in München. Da waren 40.000 Menschen dabei, die meisten waren unter 30. Aber wir dürfen nicht nur in der Kritikerrolle stehen, sondern müssen auch in die Gestaltungsrolle kommen. Politik muss Rahmen gestalten dafür. Wir jungen Leute müssen dazu aber auch Verantwortung übernehmen wollen.
Was wünschst du dir von friday for futures Leute?
Ich wünsche mir von denen die können, also die, die 18 sind, dass sie antreten für Wahlen. Dass, wenn sie auf einer Parteiliste keinen eigenen Platz bekommen, vielleicht auch eine eigenen Liste gründen. Wir haben in Moosburg (Landkreis Freising) eine Liste mit Zusammenschluss aus jungen Leuten namens „fresh“. Die setzen sich z.B. für zukunftsgerichtet Politik ein. Das finde ich stark. Ich erwarte eine call to action. Dass sie sich einbringen in Gremien, dass sie mit konkreten Forderungen auf ihre Kommunalpolitiker zugehen. Jetzt geht es um die Umsetzung.
Wie würdest du junge Leute zur Politik motivieren?
Erstens, wir müssen Politik attraktiver machen. Wir müssen Komfort-Zonen für Jugendliche schaffen. Politik ist einfach oft super zäh. Oft ist es eine große Hürde für junge Menschen ihre Anliegen vorzubringen. Wenn man es dann gemacht hat, heißt es oft „dafür sind wir nicht zuständig“. Zweitens müssen wir Prozesse beschleunigen. Jugendliche haben oft akute Probleme, z.B. ist die Skateranlage in der Stadt ist kaputt. Nach zwei, drei Jahren ist das Problem für diese Gruppe von Jugendlichen nicht mehr interessant. Wir müssen schneller werden, für junge Menschen Probleme zu lösen. Zweitens müssen wir junge Menschen komplett ernst nehmen. Alle Jugendlichen und Kinder sind mündig für ihre Interessen zu sprechen. Ich bin für die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Und warum können 10-Jähre nicht schon mitreden in ihrer Gemeinde? Warum gibt es nicht einen Jugendbeirat in der Kommune oder auch auf Bundesebene?
Spielt Glaube für dich eine Rolle? Woher nimmst du deine Kraft und Motivation?
Ich bin in der evangelischen Jugend groß geworden. Kirche und Glaube haben mich lange begleitet. Ich würde aber heute sagen, dass ich nicht gläubig bin. Ich bin eher religiös und von christlichen Werten geprägt. Die Gemeinschaft in der Kirche bedeutet mir sehr viel. Ich glaube aber nicht an eine höhere Instanz oder sowas. Kraft kommt bei mir vor allem aus Qualitätszeit mit Freunden, durch tiefe Gespräche oder durch Sport und Lesen. Mein Geheimrezept ist: Ich versuche jede Nacht 8 Stunden zu schlafen.
In einer kürzlichen Umfrage von ourworldindata kam raus, dass nur 4% der Deutschen denken, dass die Welt eine positive Entwicklung macht. Der Rest denk wohl, dass sich alles zum Schlechten entwickelt, oder wir auf der Stelle treten. Gehörst du zu den 4%? Hast du Hoffnung für die Zukunft?
Die Welt ist besser als wir sie oft wahrnehmen. Nachrichten sind vor allem durch schlechte Nachrichten geprägt. Gute Nachrichten gehen oft unter. Wenn wir uns die extreme Armut anschauen, also Menschen, die weniger als 1,9 US-Dollar Kaufkraft am Tag haben, dann hat sich diese Zahl in den letzten Jahren drastisch reduziert. Im Jahr 1990 waren das noch 44,4% der Weltbevölkerung, knapp zwei Milliarden Menschen. Das hat sich bis ins Jahr 2012 mehr als halbiert. Es sind weniger als eine Milliarde Menschen, die in extremer Armut leben. Prozentual auf die Weltbevölkerung gesehen nur 14,9%. Natürlich geht es trotzdem an vielen Stellen besser. Diesen Armutswert können wir beispielsweise noch weiter reduzieren. Die Senkung verdanken wir der Globalisierung. Wir gehen damit auch auf Probleme in anderen Erdteilen ein und können unser Know-How exportieren. Aber ich bin optimistisch. Ich glaube an das Positive. Die Welt wird jeden Tag ein Stückchen besser. Deswegen habe ich große Hoffnung in die Zukunft. Ich gehöre zu den 4%.
Wie kann man dich erreichen, wenn man dir eine Frage stellen möchte?
Ich versuche auf allen Plattformen erreichbar sein. Insta: tobi.de, Facebook: Tobias Weiskopf, meine Homepage: tobias-weiskopf.de oder man kann mich auch anrufen unter 0179-4285229. Whatsapp, Telegramm, geht alles. Postkarte geht auch. Adresse steht im Internet.
Vielen Dank für deine Zeit und für den spannenden Austausch.
Sehr gerne, ich danke dir.
„[…] wir dürfen nicht nur in der Kritikerrolle stehen, sondern müssen auch in die Gestaltungsrolle kommen.“
Den Satz fand ich besonders inspirierend!
Danke, Nathi, für das Interview.
Freut mich, bitte gerne!