Erfolgsevangelisation

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Ich weiß, ich weiß, etwas reißerischer Titel. Manchmal muss das so. Das Wort Evangelisation weckt doch ziemlich diverse Reaktionen. Die einen verbinden es mit Schwert und Kreuzzügen, andere mit der weißen Missionarisierung in Amerika oder sonst wo auf der Welt. Christen verstehen darunter eigentlich die Botschaft von Jesus in Wort und Tat zu verkündigen bzw. ihn bekannt zu machen. Damit ist aber weniger eine Marketingstrategie oder Merchandising gemeint, viel mehr eine Art der Welt und ihren Fassetten Hoffnung und Perspektive zu schenken, wie es Jesus eben auch getan hat. Für mich klingt die Überschrift auf alle Fälle falsch, Evangelisation und das was ich darunter verstehe hat nichts mit Erfolg zutun.

„Hey du, hast du kurz eine Minute?“ Samstagmorgens in der Fußgängerzone wird man vom WWF angesprochen, ob man nicht für Tiere spenden möchte, von denen man noch nicht einmal wusste, dass es sie gibt. Das nervt manchmal. Aber was nervt genau? Das man unterbrochen wird, wenn man gerade unterwegs ist? Oder nervt es, etwas verkauft zu bekommen? Mich stört es, wenn Leute gar nicht an mir interessiert sind. Ich werde auch nicht gefragt, ob ich schon eine Geschichte mit dem Produkt habe, oder ob ich selbst Haustiere halte und liebe. Mich stört es ein Kaufobjekt zu sein. Ich soll was kaufen und dann ist gut. Dann kann ich weiterziehen. Dann bin ich sozusagen erlöst und ein guter Mensch noch dazu.

Meine Evangelisationsgeschichte

Was geht da heute noch in Sachen evangelisieren. Wir Deutschen. Die Hyperkritischen. Wir Millennials. Alles hinterfragen. Und am Ende hört man doch nur: „Wenn dir der Glaube hilft, dann ist ja gut“. Scheinbar ist das, das Mantra der Postmoderne. Jeder wird halt auf seine Art und Weise selig. Man, was habe ich mich schon drüber aufgeregt, nachdem ich diesen Satz gehört habe. Für mich klingt das immer so als wäre ich der Schwache, der irgendwie Jesus braucht sonst ist er ganz verloren und kommt auf sein Leben kaum klar. Für mich ist „evangelisieren“ eine sehr ernste Angelegenheit. Ich denke viel darüber nach, wie ich Menschen mit Jesus in Kontakt bringen kann, weil ich denke, dass das einen nachhaltigen Sinn hat. Ich weiß nicht, jeder hat ja so seine eigenen Themen, die ihm besonders wichtig sind. „Evangelisieren“ ist auf jeden Fall eins meiner Themen. Auf diesem Gebiet habe ich mich auf alle Fälle schon ein wenig ausprobiert. Heute würde ich auch weniger von „evangelisieren“ reden und mehr davon Menschen mit Jesus bekannt zu machen. Das „Evangelisieren“ ruft ja doch manchmal ein paar komische Vorstellungen hervor… Gott sei Dank wird heute niemand mehr mit Schwert und Angst bekehrt. Wenn doch, dann läuft was falsch.

Strategiewechsel

Ich erzähle einfach mal von den Strategien, die ich bis jetzt so probiert habe. Strategie ist allerdings in diesem Kontext ein unpassendes Wort. Eine Strategie setzt nämlich voraus, dass ich in einer Erfolgsperspektive arbeite. Wenn man für Erfolg evangelisieren möchte, wird es komisch. Man kann hier die „Strategie“ vielleicht besser mit Herangehensweise umschreiben.

In der Schule habe ich es häufig mit der „turn or burn“-Strategie probiert. Gut, damals habe ich auch noch nicht so viel reflektiert. Wenn du an Jesus glaubst, kommst du in den Himmel, andernfalls wirst du wohl in der Hölle landen. An die Hölle glauben heute nicht mehr so viele Leute. Beliebt macht man sich dadurch auch nicht wirklich und bei schlechten Nachrichten finden generell nicht so viele Anklang, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt.

2018 war ich mit einer Freundin regelmäßig in Ulm unterwegs, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Kurz: um zu evangelisieren. Das war die face-to-face Strategie. Wir sind mit dem Programm XEE -Evangelisation Explosiv- in der Tasche losgezogen. Das ist ein Gesprächsleitfaden, der im Wesentlichen aus Fragen und kleinen Geschichten besteht. Man fragt sein Gegenüber, bekommt eine Antwort. Dann beantwortet man selbst die Frage, aber mit einer kurzen Geschichte. So ist sichergestellt, dass man niemanden auf der Straße volllabert und der andere auch eine Möglichkeit hat sich einzubringen. Dabei redet man nicht über „Gott und die Welt“, sondern der GesprächsLEITfaden hilft das Gespräch zu strukturieren. Das ist echt cool. Wenn es gut läuft hat man in 10 Minuten Jesus erklärt oder ein gutes Gespräch über verbindlichen Fragen gehabt. Es braucht ein bisschen Übung, klappt aber dann ganz gut. Wir waren regelmäßig, alle zwei Wochen, draußen. Egal, auch wenn es geregnet hat oder kalt war. Was hat es gebracht? Manche Leute waren genervt, die haben es uns auch ziemlich schnell wissen lassen. Die, die sich drauf eingelassen haben waren meist erstaunt. Manchmal konnten wir für Leute auf der Straße beten, ein paar Mal haben wir Nummern bekommen, um uns nochmal mit den Leuten zu treffen, neue Beziehungen zu bauen.

Dann gibt es da noch die Straßenevangelisation-Strategie: Ein paar musikalische Leute zusammenbringen, ein kleines Theaterstück vorspielen, vielleicht gibt jemand eine kurze Rede, zusammen losziehen und ein bisschen für Unruhe sorgen. Das ist finde ich persönlich sehr cool. Es macht Spaß und ist nicht so peinlich wie die 1:1 Methode. Wenn man es richtig draufhat, kann man das auch mit ein bisschen Kunst verbinden. In meiner Gemeinde machen wir das hin und wieder. Ich fand es jedes Mal erfrischend.

2016 machte ich Bekanntschaft mit einer kleinen Gruppe von Feuerwehrfreunden. Ich erzählte ziemlich zu Beginn von meinem Glauben. Wir verstanden uns. Zwischen schmutzigen Witzen und viel Feuerwehr-Aufregung fragte ich rum, ob jemand von meinen Jungs mal Interesse hätte ein bisschen über das Leben und Jesus nachzudenken. Die Resonanz war eher mäßig. Aber einer hatte Bock. So trafen wir uns öfters. Es entstand eine richtige Freundschaft. Wir redeten viel, teilten unser Leben und Hobby. Später lernt mein Freund Jesus kennen. Er entschied sich Jesus zu folgen. Wie soll diese Strategie heißen? Hm, vielleicht Freundschaftsevangelisations-Strategie.

Große Fragen und komische Drifts

Eine große Frage, die mich seit einiger Zeit nun schon beschäftig, bleibt. Was brauchen Menschen wirklich, um mit Jesus in Kontakt zu kommen? Warum sollte man überhaupt Jesus irgendwie „brauchen“, wenn doch sonst alles klappt? Müssen Menschen erst die Frage nach dem Sinn habeen oder müssen wir Menschen Jesus erlebbar machen? Brauchen Menschen zuerst ein Wunder oder eine innere Unruhe? Ich weiß es noch nicht genau.

Ich habe aber mit der Zeit ein paar schlechte Drifts erkannt. Die Sinnfrage beantworten Christen oft mit Jesus. Das ist auch gut so. Jesus gibt einem Leben viel Sinn. Aber… Wir dürfen Jesus auf alle Fälle nicht nur als bessere Option verkaufen, die unser Leben wieder in Ordnung bringt. Jesus ist keine Option. Jesus selbst ist die gute Botschaft für die Welt. The good news. Für Neuigkeiten kannst du dich nicht entscheiden, die passieren eben. Jesus lädt ein in eine neue Lebensrealität. Zudem sind wir auch keine Verlierer. Sich andauernd die Frage stellen zu müssen, ob das Team der Christen gewinnt, ob wir gerade den besseren Punktestand gegen die „Nicht-christen“ haben ist komisch. Oft stellen wir sie uns aber unterbewusst. Es geht nicht um „Meine Religion ist stärker als deine“. Ich muss auch nicht mit der Last der Welt rumlaufen, dass um mich herum alle anscheinend in die Hölle kommen und ich als der Einzige, der es kapiert hat, sie vom Gegenteil überzeugen muss. Auf diese Last ist die „turn-or-burn“-Strategie eine gute Antwort. Menschen außerdem nur als Evangelisationsobjekt zu behandeln ist unehrlich und kacke. Das ist der schlechteste Drift, den ich kenne.

Das Jesusding

Wie wäre es, wenn wir nett zu Leuten sind, Freundschaften bauen und andauernd von Jesus reden würden? Jesus ist unwiderstehlich. Menschen müssen auf den Geschmack kommen, wer er ist und warum es ihr Leben verändern wird.

Ich musste mich selbst immer wieder fragen, was für mich beim Evangelisieren Erfolg bedeutet. Wenn mir Leute auf der Straße oder in sonstigen Gesprächen zugestimmt haben, war das für mich ein riesen Erfolg. Ich habe es gefeiert. Heute denke ich da etwas anders. Ich meine es ist cool, wenn Leute merken, dass da mehr hinter einem Gespräch steckt. Aber bringt intellektuelle Zustimmung den Evangelisationserfolg? Ich denke nicht. Ich habe mich immer wieder dabei ertappt, dass evangelisieren für mich zur Erfolgsfrage geworden ist. Hier habe ich dieses gute Gespräch gehabt, dort konnte ich jenem den Begriff Sünde erklären. Besser tun wir daran Menschen zu zeigen, was Jesus in unserem Leben getan hat. Menschen mit auf unserer Reise zu nehmen. Das kostet Kraft und Zeit. Aber das ist die ehrlichste „Strategie“, die für mich bleibt. Ich möchte Menschen nicht als Evangelisationsobjekt sehen und sie nicht wieder wegschicken, wenn sie sich für Jesus entschieden haben. Das ist unehrlich. Außerdem kann Jesus sich selbst verteidigen, er ist der Retter der Welt. Wenn ich mal in Gesprächen eins auf den Sack bekomme, weil mir jemand nicht zustimmt, kann ich mir das getrost auf der Zunge zergehen lassen. Jesus fordert auch keine Bekehrungsquote von mir. Er sieht einfach meine Bereitschaft.

Was bleibt jetzt? Für mich ist keine Herangehensweise per se falsch oder schlecht. Einiges funktioniert besser, anderes weniger gut. Für mich war und ist immer wieder ein Ah-Moment Jesus selbst.

Mal praktisch: Ich liebe Blablacar. Es ist für mich das beste Feld, um etwas Neues auszuprobieren und die Reaktion von anderen Menschen zu spüren. Aktuell versuche ich noch nicht mal zu sagen, dass ich Christ bin, wenn mich jemand nach meinem Leben fragt. Dann rotzen eh erstmal alle nur über die Kirche ab. Ich fange einfach an von Jesus zu erzählen und zu erklären, wie er mich verändert hat. Meine Erkenntnis: Jesus hat eine erstaunliche Anziehungskraft. Ich erinnere mich an eine Fahrt mit zwei Jungs, die ziemlich hart mit der Kirche ins Gericht gegangen sind. Nachdem wir über Jesus geredet hatten, sprachen sie davon, dass sie nochmal in der Bibel über ihn nachlesen wollten.

Eine andere Inspiration war für mich, das Buch Segen von Michael Frost. Er erklärt kompakt ein evangelistischen Lebensstil. Es geht da dann nicht mehr um einen Akt des Evangelisierens. Er spricht von einer Kultur, die ich prägen kann, daraus wird dann ein Lebensstil. Wer von Jesus mehr und mehr verändert wird, wird mehr und mehr zum liebenden Menschen und nicht zum verkaufenden, überzeugenden…

Etwas anderes noch zum Schluss. Erfrischend ist es, was Jesus vor dem Missionsbefehl sagt: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ (Matthäus 28,18) Ich habe gelernt, dass manchmal Evangelisation mehr mit Sein als mit Tun zusammenhängt. Die Geschichten, die Jesus mit Menschen hat sprechen Bänder und sind bemerkenswert. Jesus hat mich auch immer wieder durch seine Gleichnisse davon gelöst, Erfolg zu erwarten. Manchmal sähen wir auch nur ohne einen Reward zu bekommen. Das ist auch okay so. Aber wer viel säht, wird viel ernten. Dieses Gesetz gilt im Reich Gottes nach wie vor noch. Es verliert auch nicht seine Gültigkeit. Genau wie Jesus Durchschlagskraft selbst.

2 Kommentare

  • Hey Nathanael, mit Freude habe ich deinen neuesten Blogpost gelesen. Es fasziniert mich immer wieder, wie du klare Worte zu schwierigen Themen findest. Ich werde morgen zu meiner Kleingruppe über das Thema reden. Danke!

  • Danke für den Artikel! Habe ein paar Gedanken, die mir kamen. Keine direkte Antwort oder Kritik, sondern vielmehr ein Weiterfragen.

    Mich beschäftigt auch folgendes: Was brauchen Menschen? Was brauche ich? Warum „brauche“ ich Jesus? Oder auch: Wofür? Es klingt oft so, als sei Jesus nur eine Ergänzung, das fehlende Puzzelstück. Eine Funktion, die ich mir dazubuchen kann. Ein Mittel, um einen Zweck zu erfüllen. Jesus, der Lückenbüßer?
    Wenn ich einen Menschen erst davon überzeugen muss, dass er etwas braucht, auch wenn er es nicht so empfindet, wirkt es für mich irgendwie krumm. Ich finde es schwierig, jedem Menschen zu unterstellen, dass er etwas NICHT hat, dass ihm etwas FEHLT, dass er etwas VERMISST. Alles sehr negative und defizitäre Begriffe.
    Jesus hat in meiner Vorstellung kein Plakat mit der Aufschrift „Dir fehlt was!“ sondern ein Herz mit der Inschrift „Ich liebe dich“. Aber ist es vielleicht genau diese unverdiente, bedingungslose Liebe, die mir fehlt?

    Sonst will ich gerne noch sagen: Wenn es um Menschen geht, finde ich Begriffe wie „Methode“, „Strategie“ und „Taktik“ immer fragwürdig – egal ob bei WWF Deutschland oder der EFG Kunzhausen. Nicht nur die Begriffe, sondern auch das Denkmuster, das dahinter steckt. Menschen sind keine Werbeobjekte – Menschen werden nicht überredet oder überstimmt. Sondern: Menschen möchten beachtet, geliebt, geschätzt, gefragt, ermutigt werden.

    Danke für die Anregungen! Ich schätze es sehr, deine Gedanken zu hören und im Austausch zu bleiben.

Nate

Ich bin Nate, schreibe über Gott und die Welt. Und alles was es dazwischen noch so gibt.

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